Der Genozid an den Pontos-Griechen

Genozid ist die methodische Vernichtung, partiel oder ganzheitlich, einer nationalen, ethnischen oder religiösen Gruppe. Es ist ein Verbrechen, dessen Ziel ist es, eine ganze Rasse, oder einen Teil dieser, mit überwiegend gewalttätigen Mitteln, systematisch zu vernichten. Dieses Verbrechen steht in keinem Zusammenhang mit einem Krieg.

Der Genozid ist laut dem internationalen Recht das härteste Verbrechen an einem Volk, für welches der Anspruch auf Verjährung nicht geltend gemacht werden kann. Derjenige, der einen Völkermord ausübt, vernichtet eine Gruppe von Menchen nicht für das, was sie getan hat, sondern für das, was sie ist. Der Genozid kann entweder durch eine Reihe von Massenmorden aller oder fast aller Angehörigen einer Rasse vollzogen werden oder durch die systematische Schwächung bis zur graduellen Auslöschung der Rasse.
Auf Basis dieser Definition gilt die systematische Vertreibung und der Mord der Griechen aus Pontos als Genozid.

Der Genozid der Griechen aus Pontos kann in drei Phasen aufgeteilt werden:

  • Die erste Phase startet 1908 und hält bis zum Beginn des 1. Weltkriegs an. Während dieser Periode werden durch den Aufstieg der Jungtürken, die balkanischen Kriege und den politischen Eintritt Deutschlands in den osmanischen Staat die Rahmenbedingungen für den Beginn der Christenverfolgung geschaffen.
  • Die zweite Phase beginnt 1915, als die Konflikte des 1. Weltkriegs dazu beitragen, die Politik des Genozids zu verbreiten. 1918 hat der österreichische Konsul in Trabzon die ausgegrenzten Griechen aus Pontos auf 80.000-100.000 geschätzt. Demgegenüber stehen griechische Zeugenaussagen, die von 233.000 Toten und von 85.000 nach Russland vetriebenen Griechen sprechen.
  • Der Zeitraum 1919-1924 bildet die dritte, letzte und intensivste Phase des Genozids. Während dieser Periode festigt Mustafa Kemal seine Position im Kern des othomanischen Staates. Ein Ereignis, welches mit der Gründung der UDSSR und deren Hilfe in Richtung der ethnischen kemalischen Bewegung zusammenfällt. Des Weiteren verstärkt sich die Präsenz der Griechen in Ionia sowie im östlichen Thrakien und es findet ein Wechsel in den aussenpolitischen Ausrichtungen der großen europäischen Mächte statt. Es ist der Zeitpunkt, an dem sich die Frage nach der Gründung eines unabhängigen Pontisches Staates zwar stellt, diese trifft jedoch auf die Gegewehr von Elefterios Venizelos und fällt zeitlich mit der Verbündung der Kräfte von Mustafa Kemal und Topal Osman zusammen.

Die Entscheidung für den Massenmord der Pontos-Griechen wurde von den Jungtürken 1911 getroffen. Sie ist während des 1. Weltkriegs umgesetzt und von Mustafa Kemal vollendet worden (1919-1923). Die Verfolgungen entfalteten sich zunächst in Form von Gewalttaten und Vertreibungen; sehr schnell aber haben sie ein systematisches und organisiertes Ausmass angenommen und sie zielen nun mehr massenhaft auf die Volksgruppen der Griechen und Armenier ab.

Die Ausrüstung der Griechen mit Waffen von den Russen galt als Begründung für die Vertreibung der Griechen von Sinopi bis Alatzam. Die Uferstadt Kerasounda (Giresun) ist verwüstet worden. Gemäß der Berichte des Metropoliten Germanos, bestand die Gefahr, dass weiteren 100.000 Griechen, in den ufernahen Regionen zwischen Alatzam und Kerasounda das gleiche Schicksal ereilen wird.

Im Dezember 1916 wurde von den Generälen Enver Pascha und Talaat, Anführer der Jungtürken, eine Strategie für den Völkermord der unbewaffneten Griechen aus Pontos entworfen. Der Plan sah das sofortige Auslöschen der Männer zwischen 16 und 60 Jahren vor, sowie die Verbannung aller Männer, Frauen und Kinder der Dörfer zu dem Inneren des Orients mit dem Ziel, sie zu vernichten. Die Strategie wurde hauptsächlich in den Regionen von Samsun und Bafra verfolgt. Die Region von Trabzon ist im April 1916 von der russischen Armee übernommen worden und war in der Zeit aus dem Plan ausgenommen. Als sich aber die Armee im Februar 1918 wegen der Geschehnisse und der Gestaltung des UdSSR zurückzog, gab fast die Hälfte der Bevölkerung ihre Heimat auf und folgte der russischen Armee. Die meisten der Flüchtlinge siedelten sich in der Region vom Kaukasus und den Uferregionen Georgiens an.

Das Erscheinen von Mustafa Kemal signalisiert eine neue Verfolgung gegen die Pontos-Griechen, trotz der Befehle des Sultans für den Schutz der Griechen und Armenier.

Die Daily Telegraph von 1919 kritisierte die Verfolgung der griechischen Bevölkerung Kleinasiens und schrieb, dass die Vertreibungen ohne Präsedenz in der türkischen Geschichte waren. Banden der nationalistischen Gruppen belagerten griechische Dörfer, beseitigten die Bewohner und plünderten alle Gebäude aus.

Neben den organisierten kemalistischen Gruppen, trug die osmanische Presse einen großen Teil zur Aufruhr des Volkes bei. „Sie ist der Grund allen Übels, aller Katastrophen. Sie trägt das Land zu Grabe und versenkt den Staat ins Dunkle“.

Für die Vorherrschaft des Kemalismus wurden verschiedene Mittel verwendet: militärische, politische und „institutionelle“. Die letzten wurden durch die „Gerichte der Independenz“ in Amasya konkretisiert. Dort war der Prozess kurz gehalten: nach der Verteidigungsrede wurde den Angeklangten das Urteil des Gerichts mitgeteilt, was die Hinrichtung durch den Strang war. Die politische, religiöse und spirituelle Führung der Region Pontos fand auf diese Weise den Tod.

Die Geschehnisse haben sowohl Parlamentarier und Senat in den USA als auch türkische Beamte 1920-1921 berührt. Der Rechtsbeistand der Kommandozentrale und des Vorsitzenden der Prüfungskommission von Istanbul berichtete, dass die Griechen der Uferregionen des Pontos, wegen ihrem Fleiß und ihres Reichtums, der wichtigste Faktor dieser Region waren. Unter Mustafa Kemal und mit der Mitbestimmung von militärischen und politischen Beamten fand die Vernichtung der griechischen Bevölkerung der Region von Februar bis August statt. 6.000 Pontos-Griechen aus der Region Bafra wurden in die Kirchen gesperrt und dort verbrannt: Senioren, Männer, Frauen und Kinder. Einige der Frauen wurden von den Tseten¹ ins Landesinnere geführt, vergewaltigt und dannach ermordet. Von den 25.000 Griechen der Region Bafra sind 90% vernichtet worden. Die Vertriebenen wurden im Inneren der Türkei ermordet.

Bei der Sitzung der türkischen Nationalversammlung am 8. und 21. Mai 1922 gab Ismet Pascha zu, dass die Griechen aus Pontos, auf Geheiß der Regierung, massakriert wurden in dem er folgendes bekannt gab: „Meine Herren, Sie wurden darüber informiert, dass sich, auf Antrag von Vekil Patriki Prousali, ein Ausschuss aus Amerikanern gebildet hat, um Verhöre zum Schlachten von Pontos durchzuführen. Das Schlachten der Giaur (so wurden die Griechen von den Türken genannt) passierte, als die Hellenen den Aufstand übten, viele Türken abschlachteten, ihre Haaremsdamen entweihten, sich ihre Besitztümer aneigneten. Dann erst gab die Regierungszentrale den Befehl zum Schlachten an Topal Osman Aga“. Der Abgeordnete von Sinopi Chakki Chami Mpei betonte, dass „unser Gesicht wird Aufgrund dieser Abschiebungen für immer befleckt sein. Geschehen diese Abschiebungen, damit Menschen ermordet werden, dann meine Herren ist das ein äußerst abscheuliches Handeln. Das befleckt uns gegenüber der ganzen Welt. Weil dann die Regierung sich nicht mehr selbst verteidigen kann. Ich hab es mit meinen eigenen Augen gesehen. Es wurden Bosheiten ausgeübt.

Vom Beginn des 1. Weltkriegs bis 1924 haben die Jungtürken und die Kemalisten Tausende von Griechen aus Pontos durch die eingesetzten Mittel vernichtet. Laut dem schwarzen Buch des Zentralrates der Pontier betragen die Opfer der Massenmorde bis 1922 303.238. Bis zum Frühling des Jahres 1924 gab es noch 50.000 Opfer. Das heißt, insgesamt sind die Griechen aus Pontos, die bis März 1924 vernichtet worden sind, 353.000; mehr als 50% der gesamten Bevölkerung der Pontos-Griechen, wenn wir die Statistiken von 1914 betrachten, laut denen es 700.000 Bewohner gab.

Die Jungtürkischen und kemalischen Behörden haben den Völkermord vorgeplannt und an ihm teilgenommen. Die Befehle für die Vertreibungen der pontischen Bevölkerung nach Kurdistan und Syrien, entweder in Form von Entscheidungen der Regierung oder von Gesetzentwürfen der Nationalversammlung, wie der vom 12. Juni 1921 und der vom 16. Juni desselben Jahres, sind von Mustafa Kemal und den Ministern unterschrieben worden.

Der Terrorismus, die Arbeitsbataillone, die Verbannungen, die Hinrichtungen, die Verbrennungen der Dörfer, die Vergewaltigungen und die Morde, haben die Pontos-Griechen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und Widerstand gegen die organisierten Aktivitäten des Vernichtungsplans zu leisten. Heute ist bekannt, dass dieser Völkermord, ohne die pontischen Rebellen, eine weit höhere Anzahl an Opfern gefordert hätte.

Das Schlusswort des Genozids an den Pontiern, bildet die Entwurzelung der Überlebenden. So siedelt auch der letzte Rest des „strömenden Genozids“, wie er genannt wurde, nach Griechenland. Viele Pontier werden schwere Zeiten in Griechenland durchmachen. In kurzer Zeit wird ein Großteil bessere Lebensbedingungen im Ausland suchen während in weniger als die Dauer einer Generation, viele von ihnen am Ende des Bürgerkriegs erneut flüchten.

Dort, in den Ländern der ehemaligen UdSSR werden sie ihre Verwanden wiedersehen und vom Schicksal der Vermissten erfahren.

Diese Entwurzelung der Griechen aus Pontos ist ein beispielloses Verbrechen in der Geschichte der Menschheit. Nach 27 Jahrhunderten wird ein Teil eines Volkes entwurzelt, hinterlässt Häuser, Kirchen, die Ruhestätten seiner Vorfahren und flieht an die Küsten Griechenlands. Makedonien, Thrakien, Athen, Thessaloniki, Piräus, Patras, Volos, Kavala und Drama sind die Hauptgebiete, in denen sich die Pontier niedergelassen haben. Viele von ihnen fanden sich nach anstrengenden Märschen in der UdSSR, im Iran, in Syrien und anderswo (Europa, Australien, USA) wieder.

Übersetzung eines Auszuges des Artikels von Theophanis Malkidis, „Η γενοκτονία των Ελλήνων του Πόντου. Ιστορικές, πολιτικές και διεθνείς διαστάσεις“ (Der Genozid der Griechen aus Pontos: historische, politische und internationale Ausmasse), http://neolaia.poe.org.gr/default.aspx?catid=186.

¹ Türkische Freiwillige, die gegen das griechische Militär gekämpft haben